Das Porträt

 

FMG-INFORMATION 109, Juli 2013

 

Am 27. März 2013 autorisierte Papst Franziskus den Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, Angelo Kardinal Amato, unter anderem das Dekret über das Martyrium eines 14-jährigen italienischen Jungen zu promulgieren (bekanntzugeben). Der Bischof von Reggio Emilia, der Heimatdiözese Rolandos, Massimo Camisasca, schrieb am 14. April 2013 in einem Hirtenwort, die Anerkennung des Martyriums des Seminaristen bedeute nicht den Sieg einer Seite über eine andere, sondern den Sieg des Glaubens. Darum sei es auch ein Geschenk, dass die Seligsprechung noch im „Jahr des Glaubens“ stattfinde. Der Bischof empfahl der Fürsprache des neuen Seligen besonders die Sorge um Priesterberufungen. Die Seligsprechung soll am 5. Oktober 2013 in Modena stattfinden.

Quellen:  Paolo Rissi, Rolando Rivi, un ragazzo per Gesú. Camposampiero (PD) 1997; ders., Rolando Rivi, Martire a 14 anni. Zeitschrift „Madre di Dio“, 1993; Simonetta Pagnotti, In memoria di un seminarista, Famiglia Christiana 24/2001; Dom Antoine Marie OSB, Abtei Saint-Joseph de Clairval, Flavigny-sur-Ozerain, Rundbrief 25.4.2012; www. katholisches.info/?p=24198; http:// s2ew.reggioemilia.chiesacattolica.it; www. santiebeati.it; u. a. [Fotonachweis: "GOTTES Kinder 6", S. 96, hrsg. von Freundeskreis Maria Goretti e. V.]

 

 

FRÜHVOLLENDETER BLUTZEUGE

 

Rolando Rivi 

 

7. Januar 1931 San Valentino di Castellarano, Italien – 13. April 1945 Piane di Monchio, Italien

 

Südlich von Modena, wo das Land aus der Poebene zum Apenningebirge ansteigt, liegt das Dorf San Valentino, das zur Gemeinde Castellarano gehört (in der italienischen Provinz Reggio Emilia). Zwischen Feldern, Weinbergen und Kastanienwäldern liegen viele Einzelgehöfte auf kleinen Hügeln. Am 7. Januar 1931 wurde dem Bauern Roberto Rivi und seiner Ehefrau Albertina, geb. Canovi, vom Gehöft Poggiolo ein zweiter Sohn geboren. Tags darauf wurde er auf den Namen Roland getauft, und der Vater weihte ihn sogleich der Mutter GOTTES vom Berge Karmel. Nach Rolando kam noch eine Schwester.

Der Junge war ein gesundes und lebhaftes Kind, das im Heranwachsen schon bald recht eigenständig sein wollte. Er wuchs in einem tiefgläubigen Elternhaus heran, wo der Glaube intensiv gelebt wurde. Von seinen Eltern lernte er JESUS kennen und lieben, die Großmutter brachte ihm die Liebe zum Rosenkranz bei. Rolando war so lebhaft, fröhlich und intelligent, dass die Großmutter einmal sagte: „Entweder er wird ein Taugenichts oder ein Heiliger.“ Für ihn passte aber auch das Wort: „Je wilder die Spiele, desto inniger das Gebet“.

Er hatte ein offenes und großmütiges Herz, das keine Ungerechtigkeiten ertrug. Stellte er Unfug an, musste man ihm doch sogleich verzeihen, weil er ein entwaffnendes Lächeln aufsetzen konnte. Mit sechs Jahren ging er zur Schule; er lernte gut, war immer unter den Besten der Klasse. 1934 war Don Olinto Marzocchini Pfarrer von San Valentino geworden, ein tiefgläubiger, väterlicher, beispielhafter Priester (1972 vollendete er 84-jährig sein Leben).

 

Eine tiefe Freundschaft mit JESUS und Maria

Bei Don Olinto lernte der kleine Rolando, bei der hl. Messe zu ministrieren. Bei ihm war er im Religionsunter­richt und hörte sehr gut zu, weil er alles über JESUS wissen wollte. Am 16. Juni 1938, dem Fronleichnamstag, empfing er mit sieben Jahren voller Freude zum ersten Mal JESUS in der hl. Kommunion. Seit dieser Zeit war JESUS sein engster Freund. Täglich ging Rolando in die Kirche, um JESUS zu besuchen. Oft, wenn Don Olinto im Beichtstuhl war, sah er den Buben im Zwiegespräch mit dem HEILAND. Einmal, in der Weihnachtszeit, brachte Rolando ein Säckchen zur Krippe und sagte laut: „Lieber JESUS, hier sind meine Sünden. Es sind hundert, ich habe sie gezählt. Aber ich verspreche Dir, dass ich Dir einmal einen Sack voller Tugenden bringe!“

In der Familie erkannte man, dass Rolando sich wandelte. Das wurde noch deutlicher, als er am 24. Juni 1940 die Firmung empfing. „Nun ist es an mir“, sagte er, „JESUS bekannt zu machen, Ihn zu lieben und dafür zu sorgen, dass man Ihn liebt.“ Der Pfarrer hatte die Kinder zur regelmäßigen Beichte angehalten, um die Freundschaft mit JESUS zu pflegen. So ging Rolando wöchentlich zur heiligen Beichte. Jedes Mal, wenn er in der Frühe die hl. Messe mitfeierte (wie sein Vater) und ministrierte, empfing er auch die hl. Kommunion. JESUS senkte eine tiefe Freude in sein Herz. Er versäumte keine einzige Katechismus-Stunde und wollte immer mehr vom HEILAND erfahren.

Seine Kameraden erlebten ihn als lebhaften, begeiste­rungsfähigen und begeisternden Freund, der die Fähig­keiten hatte, ihr Anführer zu sein. Er wusste aber nicht nur Spiele zu organisieren, sondern lotste seine Freunde auch in die Kirche, zur heiligen Messe und zum Katechismus-Unterricht. „Kommt“, sagte er zu ihnen, „JESUS wartet auf uns, JESUS möchte, dass wir kommen.“ Er zeigte ihnen, wie man den Rosenkranz betet und hielt sie zur christlichen Nächstenliebe an: „Wenn du den HERRN liebst, musst du jeden Menschen lieben.“ Die Mildtätigkeit gegen Arme war für ihn untrennbar von der GOTTESliebe. Oft kamen Bettler an die Tür. Rolando sagte: „Papa, Mama, ich gehe hin und bediene sie.“ Er gab ihnen immer sehr großzügig. Wenn ihm jemand sagte, dass er zu viel gegeben habe, antwortete er: „Nächstenliebe kann nie genug sein. Jeder Arme ist JESUS selbst!“

Die allerseligste Jungfrau Maria liebte und verehrte er immer mehr und vertraute sich ihr an: „Sie ist unsere Mutter, die an alles denkt.“ Jeden Tag betete er allein den Rosenkranz und kniete sich am Abend, ehe er ins Bett ging, daneben nieder und betete einen weiteren Rosen­kranz für seine Angehörigen. An jedem Samstag im Mai pilgerte er mit dem Pfarrer und anderen zu Fuß zum be­nachbarten altehrwürdigen Heiligtum der Mutter GOTTES von Campiano in Castellarano.

Rolando hatte eine schöne Stimme und sang gerne die Loblieder zur Ehre GOTTES. Sein Vater, selber begeisterter Sänger im Kirchenchor, brachte auch dem Sohn die Musik nahe. Und dieser lernte, das Harmonium zu spielen, er war dann auch ein hervorragender Chorsänger im Seminar und begleitete in den Ferien den Kirchenchor am Harmonium. Auch an Ostern 1945 spielte er noch in seiner heimatlichen Pfarrkirche die Orgel.

Die Grundschule schloss er mit Auszeichnung ab. Seine Lehrerin erinnert sich: „Seinen wachen Augen entging nichts. Er hatte eine lebhafte Intelligenz und ein ausgezeichnetes Gedächtnis.“

 

Der Ruf zum Priestertum

In seinem Herzen reifte die Berufung zum Priestertum heran. Wenn der Pfarrer am Altar Brot und Wein konse­krierte in CHRISTI Leib und Blut, schien es ihm, als ob der Himmel ihn berühre. Mit zehn Jahren hörte Rolando in seinem Herzen die Stimme JESU: „Du gehörst mir, komm!“ Er sagte zuhause: „Ich möchte Priester werden, um viele Menschen zu retten. Dann werde ich Missionar, um JESUS auch in der Ferne bekannt zu machen.“ Er eröffnete seinen Wunsch Don Olinto; dieser ermutigte ihn und sprach auch mit den Eltern, die gerne ihre Zustimmung gaben.

So trat Rolando anfangs Oktober 1942 mit elfeinhalb Jahren in das Kleine Seminar seiner Diözese in Marola ein. Er bekam, wie es dort damals üblich war, sofort eine Soutane überreicht. Das war noch keine verpflichtende Bindung. Aber auch wenn die Buben in diesem Alter erst die Gymnasialausbildung durchliefen, wollte man sie doch schon in ihrer Ausrichtung auf den geistlichen Beruf bestärken. Rolando empfing die Soutane mit stolzer Freude: er empfand das schon als Besiegelung seiner Hingabe an JESUS. „Ich gehöre JESUS“ war so etwas wie die Grundmelodie seines Lebens.

Rolando lernte gern; er kam mit dem strengen Zeitplan im Seminar – mit dem sich manch anderer schwertat – gut zurecht: ein Wechsel von Unterricht, Gebetszeiten, aber auch Erholungspausen. Er kam mit allen gut aus und liebte JESUS außerordentlich. Lange betete er täglich vor dem Tabernakel. Kameraden, die in Schwierigkeiten waren, stand er zur Seite. Die täglichen Opfer nahm er auf sich, ohne zu klagen, und sagte sehr leise: „Alles für JESUS, der mich liebt und der mich als Priester haben möchte.“ Mit Begeisterung nahm er mit seinen Seminarkameraden Anteil an der Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens durch Papst Pius XII., die dieser am 8. Dezember 1942 im Petersdom wiederholte.

Rolando las gern Missionsgeschichten. Besonders fasziniere ihn das Beispiel des inzwischen seliggesprochenen Michael Pro, eines jungen mexikanischen Jesuiten, der 1928 auf Befehl der kirchenfeindlichen Regierung in Mexiko erschossen worden war.

Wenn die Eltern ihm Früchte, Süßigkeiten oder andere Lebensmittel ins Seminar brachten gab er das an die Vorgesetzten weiter, die es unter allen aufteilen sollten.

Einer, der mit ihm im Seminar war, heute Priester, erinnert sich: „Rolando war sehr lebendig und aufgeweckt bei jedem Spiel… Er war der Champion seines Jahrgangs. Im Unterricht war er höchst aufmerksam, sehr fleißig und vorbildlich, und er liebte JESUS sehr. Man fühlte sich sehr wohl bei ihm, er verbreitete Freude. Er war wirklich ein heiligmäßiger Junge.“

Während der Ferien, die er bei seiner Familie in San Valentino verbrachte, richtete er sich nach den Weisungen seines Beichtvaters. Er lebte auch in den Ferien das Leben eines Seminaristen mit der hl. Messe und täglichen hl. Kommunion am Morgen. Er besuchte JESUS im Tabernakel, er betete den Rosenkranz und war immer sofort bereit, dem Pfarrer zu helfen, wenn dieser ihn brauchte. Auch in den Ferien trug er stolz seine Soutane und sagte: „Das ist das Zeichen, dass ich JESUS gehöre.“ Wenn er dem Vater auf dem Feld bei der Arbeit half, sang er gern das Salve Regina und die Marienlitanei.

Man war gern in seiner Nähe. Rolando organisierte für die Kinder, besonders für die Kleineren, Spiele, aber auch Momente des Gebetes. Oft war er von seinen kleinen Freunden umgeben. Er verstand es, sie zu unterhalten und sie im Evangelium zu unterrichten: Er wollte sie um JESUS sammeln, damit sie Ihn liebten, wie Er es verdient.

 

Im Zweiten Weltkrieg

Im September 1939 war der 2. Weltkrieg ausgebrochen. Italien war unter der faschistischen Regierung Mussolinis an der Seite Hitler-Deutschlands in den Krieg eingetreten. Zwei Onkel Rolandos waren einberufen worden und später im Kampf gefallen. Im Sommer 1943 war dann nach der Landung englischer und amerikanischer Truppen in Sizilien Mussolini abgesetzt worden. Italien schloss einen Waffenstillstand mit den Alliierten. Die in Italien stationierten deutschen Truppen in Mittel- und vor allem Norditalien wurden nun zu Besatzern. Verschie­dene Partisanenverbände kämpften gegen sie. Besonders die Gegend der Emilia Romagna wurde Schauplatz dramatischer Kämpfe zwischen den deutschen Truppen und den Partisanen. Das ist der geschichtliche Hintergrund, um den Fortgang der Geschichte Rolandos zu verstehen.

Im Sommer 1944, am Ende seines zweiten Seminar-Jahres, wurde das Kleine Seminar in Marola, das angeblich Partisanen als Versteck dienen sollte, von deutschen Soldaten durchsucht. Man nahm auch die heiligen Gefäße aus der Kathedrale in Reggio Emilia mit, die man zum Schutz vor eventuellen Bombardierungen hierher gebracht hatte. Die Leiter des Seminars sahen sich gezwungen, das Seminar bis auf weiteres zu schließen.

 

Die kommunistischen Brigaden

Rolando kehrte nach San Valentino zurück und lernte allein weiter. Er wollte schließlich Priester werden. Wieder versuchte er, sein Leben als Seminarist zuhause wei­terzuführen, er betete für den Frieden und hoffte, bald wieder ins Seminar zurückkehren zu können. Er trug auch weiterhin seine Soutane, die für ihn ein wichtiges Zeichen war, dass er JESUS gehörte. Es war eine mutige Entscheidung, denn die Partisanenverbände in der Gegend waren nicht einfach Befreiungskämpfer gegen die deutschen Truppen und gegen die „Schwarzhemden“ (faschistische Verbände, die es in Norditalien noch gab). Die Partisanen waren vielfach von Kommunisten beherrscht, die eine Art Bürgerkrieg führten. Dabei ging es darum, dass sie nach Kriegsende die Macht im Land innehaben wollten. Das Ziel dieser kommunistischen Brigaden war die Errichtung einer Sowjetrepublik, und daher bekämpften sie vor allem auch die Kirche, die nach dem Krieg in Italien keine Rolle mehr spielen sollte. Es wurden auch zahlreiche Verbrechen verübt, Dutzende von Priestern und Ordensleuten ermordet. Oft berief man sich wahrheitswidrig darauf, diese seien Faschisten oder deren Spione und Helfer; auch in späterer Zeit wurde das noch als Entschuldigung verbreitet. Tatsächlich aber waren sie ihnen verhasst, weil sie den katholischen Glauben bezeugten und verteidigten, den die kommunistischen Revolutionäre beseitigen wollten.

Eines Nachts wurde auch Don Olinto, der Pfarrer von San Valentino, überfallen, verprügelt und ausgeraubt; man drohte ihm mit dem Tod, wenn er weiter dabliebe. So verließ er den Ort aus Vorsicht bis Ostern 1945. Als Rolando in jener Zeit einmal seinen Vertreter, den Neupriester Alberto Camellini, begleitete, trafen sie auf zwei junge Partisanen, die dem Priester zuriefen: „Von jetzt an sind nicht mehr die Deutschen und die Faschisten unsere Feinde, die sind erledigt; jetzt kommen die Reichen und die Pfaffen dran.“

 

Rolando wusste, dass Papst Pius XI. schon 1937 in einer Enzyklika aufgezeigt hatte, dass der atheistische Kommunismus nicht mit dem christlichen Glauben zu verein­baren ist. Der Papst hatte die Gewalttaten von Kommunisten angeprangert – ähnlich wie er in der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ den Nationalsozialismus verworfen und seine Irrtümer entlarvt hatte. Der Junge wusste auch von der Gewaltbereitschaft der kommunistischen Partisanen in seiner Gegend. Dennoch wollte er seine Soutane nicht ablegen, auch wenn ihm andere dazu rieten. Rolando war Gruppenführer der katholischen Jugend, war angesehen und geschätzt. Er wollte sich nicht einschüchtern lassen und kein Beispiel geben dafür, dem kommunistischen Druck nachzugeben. Er sagte vielmehr: „Ich schade doch niemandem damit… Ich sehe nicht ein, warum ich meine Soutane ablegen soll: Sie zeigt doch nur, dass ich JESUS gehöre.“

 

„Schuldig“, weil er Priester werden wollte

Am 10. April 1945 – es war die 2. Woche nach Ostern – nahm Rolando in San Valentino an der hl. Messe teil und empfing den HEILAND. Er begleitete die Lieder mit der Orgel, und man machte schon aus, dass er am nächsten Morgen auch spielen sollte.

Als Rolando nach der hl. Messe wieder nach Hause kam, zog er sich in ein nicht weit entferntes Wäldchen zurück, wohin er oft zum ungestörten Lernen ging. Die Eltern arbeiteten irgendwo auf dem Feld. Da er nicht zum Mit­tagessen kam, wollte sein Vater ihn holen. Doch anstelle seines Sohnes fand er nur dessen auf dem Boden verstreute Schulbücher vor, und auf einem herausgerissenen Blatt las er: „Suchen Sie ihn nicht. Er ist einstweilen bei uns. Die Partisanen.“ Der Vater und der Priester machten sich sogleich auf die Suche nach dem Jugendlichen.

Rolando war zu Fuß in das 25 km entfernte Monchio (schon jenseits des Flusses Secchio, zur Provinz von Modena gehörig) verschleppt worden, zu einem Bauern­hof, der einer kommunistischen Partisanengruppe als Unterschlupf diente. Sie sperrten ihn in den Schweinstall, verhörten ihn mehrfach brutal, um ihn zu Geständnissen zu zwingen. Man nahm ihm seine Soutane weg, zerriss und beschmutzte sie und untersagte ihm, sie wieder anzuziehen. Beinahe wie JESUS vor Pilatus stand er nun da. Er sagte: „Ich bin nur ein Jugendlicher, ja, ein Seminarist… Ich habe nichts Böses getan.“

Man beschuldigte ihn unter anderem, er habe für die Nazis spioniert. Ein geringer Geldbetrag, den er bei sich trug (es war ein Geschenk für seine Organisten- und Mesnerdienste an Ostern), sollte angeblich Verräterlohn sein. Rolando wies die falschen Anschuldigungen zurück. Er wurde beschimpft, mit einem Gürtel geschlagen, mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert. Dennoch blieb der Junge bei der Weigerung, die Anklagepunkte zuzugeben.

Am Freitag, den 13. April, führten die Partisanen ihren von den zweitägigen Misshandlungen erschöpften und verletzten Gefangenen in ein Wäldchen bei Piane di Monchio. Als Rolando eine bereits ausgehobene Grube erblickte, begriff er, was man mit ihm vorhatte. Weinend bat er: „Gebt mir Zeit für ein Gebet für meinen Vater und meine Mutter.“ Noch in den letzten Augenblicken dachte er nicht an sich, sondern an seine Lieben. Als er am Rand der Grube kniete und für die Angehörigen, aber wohl auch für seine Peiniger betete, feuerte einer der Partisanen zwei Schüsse aus nächster Nähe auf ihn ab und traf ihn tödlich in die Schläfe und ins Herz. Seine zerrissene Soutane hängten sie wie eine Siegestrophäe an ein benachbartes Haus.

Der Mörder, ein politischer Kommissar, wurde 1951/52 vor Gericht gestellt und verurteilt; man beschrieb ihn als „fanatischen Verfechter des bedingungslosen Klassenkampfes“. Einige seiner Partisanen-Gefährten, die noch versucht hatten, den Jungen zu retten, sagten aus, der Mörder habe sie mit dem laut gebrüllten Satz: „Morgen gibt es einen Pfaffen weniger!“ zum Schweigen gebracht.

 

Nach dem Märtyrertod

So starb Rolando Maria Rivi zur Todesstunde JESU, an einem Freitagnachmittag um 15 Uhr, vierzehn Jahre und drei Monate alt.

Am selben Tag noch hörte Don Olinto etwas, wohin der Junge verschleppt worden sei. Am Tag darauf brachen der junge Priester Don Roberto Camellini und Vater Rivi mit dem Fahrrad auf, fragten und suchten. Schließlich trafen sie den Kommandanten der Partisanengruppe, der ihnen eiskalt mitteilte, sie hätten Rolando bei Piane di Monchio getötet, weil er ein Spion war. Dort angekommen, stießen sie auf den Politkommissar. Dieser leugnete zunächst, gab dann aber zu: „Ja, ich habe ihn umgebracht, aber ich habe ein reines Gewissen: Er war ein Spion im Dienste der Deutschen.“

Auf die Frage des Priesters, ob der Junge gelitten habe, zog der Mörder seinen Revolver und antwortete dreist: „Schau mal, damit hat man keine Zeit zu leiden.“

Er wies auf die Stelle, wo sie den Jungen am Vortag unter Zweigen und Erde verscharrt hatten. Als der Priester die Stelle freilegte, lag Rolando da in seinem Blut, nur mit Hemd und Hose bekleidet, an den Beinen gefesselt, mit zwei Wunden an der Schläfe und am Herzen.

Priester und Vater Rivi beteten voll unsagbaren Schmerzes für den Ermordeten. Mit Hilfe von zwei Bauern stellten sie eine Holzkiste als provisorischen Sarg her. Da es schon Nacht war, mussten sie bis zum Morgen warten und suchten erschöpft Zuflucht im Pfarrhaus von Monchio. Im Morgengrauen des nächsten Tages, des 2. Sonntags nach Ostern, brachten sie den Leichnam Rolandos im provisorischen Sarg in die Kirche von Monchio. Ein paar Frauen waren anwesend, als der Priester – im weißen Gewand der Osterzeit – die erste hl. Messe für den Ermordeten feierte.

Vor dem Sonntagsevangelium vom Guten Hirten lautete der Lesungstext aus dem 1. Petrusbrief: „CHRISTUS hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt. Er hat keine Sünde begangen, in seinem Mund war kein trügerisches Wort. Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht, er litt, drohte aber nicht, sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter…“ (2,21ff). Worte, die auf den unschuldigen Märtyrertod Rolandos zutrafen. Dann wurde sein Leichnam vorläufig auf dem Friedhof von Monchio beerdigt.

 

Am 25. Mai 1945 überführte man der Leichnam nach San Valentino, wo viele Menschen den Wagen mit dem Sarg erwarteten. Dann trugen ihn Jugendliche abwechselnd auf ihren Schultern zu Kirche und Friedhof. Auf den Grabstein ließ der Vater schreiben: „Ruhe im Licht und im Frieden CHRISTI, der du durch Hass und Finsternis ausgelöscht wurdest“. Die Ermordung seines Sohnes hatte Roberto Rivi tief getroffen, aber sein Glaube ließ ihn doch sprechen: „Ich vergebe.“ Auch später setzte sich der Vater für den Glauben ein. Einem Freund sagte er einmal: „Ich konnte immer zum HERRN im Tabernakel gehen.“ 1992 starb er 89-jährig. - An der Mordstelle bei Piane di Monchio errichtete man einen Gedenkstein.

Jahrelang war es unmöglich, über den Mord an Rolando Rivi wie über Morde an vielen Geistlichen (allein in der Emilia Romagna, im berüchtigten „Dreieck des Todes“ Bologna, Modena, Reggio Emilia waren es 93 Priester und Ordensleute: „Klassenfeinde“), öffentlich zu sprechen. - Der Prozess gegen die Mörder Rolandos hatte die Motive für seine Hinrichtung zutage gebracht: „Der Seminarist Rolando Rivi stellte aufgrund seines frommen und untadeligen Benehmens, seines Einsatzes für die Glaubenspraxis, ein Vorbild für die örtliche Jugend in Bezug auf zivile und christliche Tugenden dar; sein Vorbild führte bei vielen dazu, dass sie sich dem Katholizismus zuwandten… Seine Gefangennahme und seine Tötung hatte den Grund und den Zweck, ein wirksames Hindernis für die Verbreitung der kommunistischen Lehre bei der Jugend zu beseitigen… Der von den Mördern genannte Vorwand, Rolando sei ein Spion, ist zu diesem Zweck erfunden worden.“

 

Die Verehrung des jungen Seminaristen war in der gläu­bigen Bevölkerung im Lauf der letzten Jahrzehnte im Stillen gewachsen. 1997 wurde Rolandos sterbliche Hülle in die Pfarrkirche von San Valentino umgebettet. Das Seligsprechungsverfahren wurde endlich 2006 in der Diözese Modena eröffnet.    

 

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