Was unterscheidet

die christliche Sexualerziehung?

 

(FMG-INFORMATION 94- Juli 2008)

 

In der FMG-INFORMATION 14 von 1981 hatten wir versucht, knapp die Meinungen zur Sexualerziehung zu analysieren und der Lehre der katholischen Kirche gegenüberzustellen. Wir geben diesen Text von damals wieder (nur in den Anmerkungen ein wenig aktualisiert), weil er auch heute noch helfen kann, das Unterscheidende herauszustellen.

Allerdings ist die Entwicklung in diesen bald drei Jahrzehnten Jahren fortgeschritten - die Praxis der schulischen Sexual„erziehung“ hat sich mit der sogenannten Aids-Vorsorge noch verschärft, das Empfinden für sittliche Grenzen ist weiter geschwunden (man denke nur daran, dass die Kondom-Werbung seit etlichen Jahren immer wieder von Plakatwänden usw. herunterplatzt). Ferner hat sich mit der aggressiven Homosexuellen-Lobby und den gesetzlichen Festlegungen gegen sogenannte Diskriminierung wegen sexueller Orientierung usw. die „Schwulen- und Lesben-Propaganda“ in den Schulen wesentlich vermehrt (siehe auch die ideologischen Spektakel von „Christopher-Street-Day“ und dergleichen).

Und nicht zuletzt sind auch im politischen Raum die Vorstöße zur sexuellen Liberalisierung auch für Kinder erfolgreich vorangetrieben worden, wenn international als sogenannte „Kinderrechte“ eingefordert werden, den Heranwachsenden den Zugang zu unbeschränkter Sexualfreiheit, Empfängnisverhütung und Abtreibung einzuräumen, während den Eltern jede Einflussnahme darauf verweigert wird, ja sie zu virtuellen Feinden der Kinder erklärt werden. Ferner sind mit der Zeit auch kirchliche Organisationen wie „Sozialdienst katholischer Frauen“ oder „Caritas“ in vermeintlich sinnvoller Vorbeugung vor Abtreibung in Schulen tätig geworden, nicht selten kaum unterschieden von „pro familia“ oder „Donum vitae“ mit Verhütungsinformationen, Kondom-Üben am männlichen Geschlechtsteil usw. Und manches mehr.

Diese Entwicklungen, die – rein innerweltlich gedacht – unaufhaltsam fortzuschreiten scheinen, sind zu ergänzen, ebenso wie neuere Dokumente des kirchlichen Lehramtes zu beachten sind wie das Apostolische Schreiben „Familiaris consortio“ von 1981, die „Charta der Familienrechte“ von 1983 und das Dokument des „Päpstlichen Rates für die Familie“ von 1995.

Die Einstellungen zur sogenannten Sexualerziehung (SE) – schulisch und außerschulisch – sind vielfältig. Wir wollen vier Standpunkte herausstellen:

 

1. Die emanzipatorische „Sexualerziehung“

Sie sagt: Die Tabuisierung der Sexualität sei ein Mittel der Unterdrückung durch die Herrschenden (Staat, Kirche) gewesen und habe Angst und Schuldgefühle hervorgerufen. „Dem unverheirateten Jugendlichen wird in der Regel nicht erlaubt, seine Sexualtriebe in einer von der Gesellschaft geduldeten Art und Weise zu befriedigen“ (H. Giese). Notwendig sei daher eine „Sexualerziehung“, die den Jugendlichen zu einer repressionsfreien (nicht von Verboten eingeengten) Ausübung seiner sexuellen Wünsche befähige. Der „Unfall“ einer ungewollten Schwangerschaft könne verhütet oder gegebenenfalls durch Abtreibung aus der Welt geschafft werden. Das Schamgefühl sei nur anerzogen und müsse beseitigt werden.

Das ist der Standpunkt von Sexualpädagogen der marxistischen Schule. Weniger klassenkämpferisch-politisch, aber in den Auswirkungen nahezu gleich ist die rein hedonistische Sicht, die einfach das Recht auf die ungehinderte scham-lose Ausübung der Lust will.

 

2. Die Sexualtät verherrlichende „Sexualerziehung“

Infiziert von dieser emanzipatorischen „Sexualerziehung“ hat sich im kirchlichen Raum eine Ideologie breit gemacht, die von „neuen Erkenntnissen“ über das „sexuelle Wesen“ Mensch berichtet und die Lehre der Kirche „hinterfragt“: „Aus der offiziellen kirchlichen Sexualpädagogik sprechen Jahrhunderte katholischer Leibfeindlichkeit“[1]. Mit Berufung auf die Hl. Schrift wird der „Leib neu entdeckt“[2], mit Hinweis auf das Liebesgebot wird ein „neuer Zugang zur Zärtlichkeit“[3] gefordert. Absolute Normen hinsichtlich des geschlechtlichen Verhaltens leugnet man; alles sei dem persönlichen Gewissen überlassen, wichtig sei nur, dass nichts „gegen die Liebe“ geschehe.

Dagegenstehende kirchliche Aussagen werden nicht beachtet, ja totgeschwiegen. „‚Die’ kirchliche Lehrmeinung gibt es nämlich gar nicht“[4]. Dokumente, die dem eigenen Standpunkt dienlich sind, werden jedoch häufig angeführt (z. B. Würzburger Synode, Hirtenbrief von 1973[5]).

 

3. Die Sexualerziehung des Kompromisses

Hier treffen sich verschiedene Ansichten. Häufig wird der pragmatische Standpunkt vertreten: „Sexualerziehung“ in den Schulen sei nun einmal da, man könne diesen Bereich nicht aus der Erziehung herausnehmen[6]; die biologischen Darlegungen über Geschlechtsorgane, Zeugung, Empfängnis, Verhütung und Geburt, über „Vorstufen“ und perverse Formen der Sexualität usw. seien selbstverständlich. Wichtig sei nur, dass nicht indoktriniert (d. h. eine bestimmte Meinung eingetrichtert), dass kein bloßes Faktenwissen gelehrt werden, sondern dass die SchulSE „christlichen Wertvorstellungen“ „Rechnung trage“[7]. In diesem Sinn wurden gesetzliche Regelungen der SE befürwortet.

Man tritt für „fächerübergreifende Sexualerziehung“ ein, um eine Überbetonung dieses Themas zu vermeiden, oder man setzt sich für ein SE-Fach oder SE-Sonderveranstaltungen ein (was dem Elternrecht damals zwar entgegenkam, sofern diese Veranstaltungen freiwillig waren, was aber das Kind oft in unzumutbare Spannungen und Diskriminierungen bringt).

Vielfach wird auch die Meinung vertreten, angesichts unserer sexualisierten Öffentlichkeit könne eine Hilfe für die Kinder und Jugendlichen nur in einer „vorbeugenden“ breiten sexuellen Aufklärung bestehen.

Der entscheidende Punkt bei dieser Kompromiss-Haltung zur „Sexualerziehung“ ist, dass man die stimulierende Wirkung des sexuellen „Faktenwissens“ nicht sieht und glaubt, diese SE, mit einem christlichen Werte-Mäntelchen behängt, würde schon richtig laufen.

 

4. Die christliche Sexualerziehung

Der Standpunkt der eindeutigen Lehre der katholischen Kirche, vorgelegt vor allem durch das oberste kirchliche Lehramt, widerspricht der offen verführerischen und die Sünde leugnenden oder verniedlichenden Sicht der geschlechtlichen Aufklärung. Und er widerspricht der Ansicht, die heutige „Sexualerziehung“ sei notwendig, nur müssen sie „christlich“ garniert und gegen „Übertreibungen“ abgegrenzt sein. Die Lehre der Kirche über eine „christliche Sexualerziehung“ lautet anders.

Der FREUNDESKREIS MARIA GORETTI e. V. vertritt diesen kirchlichen Standpunkt, der sich so zusammenfassen lässt:

 

Die Kinder und Jugendlichen müssen durch eine ganzheitliche Erziehung zu einer seelischen , affektiven und sittlichen Reife geführt werden, die der GÖTTlichen Schöpfungsordnung, dem Geist JESU CHRISTI und darum auch der Würde des Menschen entspricht[8].

Jede Sexualerziehung, die zu unnötiger Beschäftigung mit sexuellen Dingen führt und nicht Erziehung zu Schamhaftigkeit, Keuschheit und Selbstbeherrschung ist, ist sexuelle Bedarfsweckung und Stimulierung (Verlockung). Eine solche „Sexualerziehung“ ist Anleitung oder Hinführung zu sündhaftem Tun und deshalb abzulehnen.

 

Sind „wissende Kinder“ geschützte Kinder?

Bei vielen, die nicht eine verführerische „Sexualerziehung“, sondern eine wirkliche Hilfe für die Jugendlichen wollen, steht heute die Sexualaufklärung („wertorientierte biologische Wissensvermittlung“) im Vordergrund. „Wissende Kinder sind geschützte Kinder“, heißt ein Schlagwort[9], das inmitten der sexuellen Enttabuisierung unserer Gesellschaft noch zutreffender geworden zu sein scheint. In Wirklichkeit ist dies eine Verengung des Problems, eine völlig falsche Akzentsetzung, die in einen Irrweg führt.

Sonst müsste ja heute, angesichts der diesbezüglichen Wissensflut besonders der letzten vierzig Jahre eine bedeutende sittliche Verbesserung eingetreten sein. Und dies wird wohl niemand behaupten wollen.

 

Was wirklich schützt?

Obzwar der erbsündliche Mensch von CHRISTUS erlöst wurde, blieben der menschlichen Natur die Folgen der Erbsünde, besonders die Schwäche des Willens und eine Unordnung der Triebe. Deshalb ist es beständige Aufgabe des Menschen, seine ungeordneten Neigungen zu verbessern, die guten zu fördern und zu ordnen, und Gelegenheiten, die zur Sünde führen können, nach Möglichkeit zu meiden.

Damit dies gelingen kann, ist es nötig, sich in die Glaubenswahrheiten zu vertiefen und durch die Gnadenmittel die Willenskraft zu stärken[10].

Papst Pius XI. betonte in seiner Erziehungsenzyklika „Divini illius magistri“ diese große Bedeutung der Willensstärkung: „Besonders bei den jungen Menschen entstehen die bösen Handlungen nicht so sehr aus der intellektuellen Unwissenheit als aus der Schwäche eines Willens, der gefährlichen Gelegenheiten ausgesetzt und nicht von den Hilfsmitteln der Gnade unterstützt wird“[11].

Und Papst Pius XII. erklärt:

„Wir spielen hier an auf die geschlechtliche Aufklärung, die nichts verschweigen und nichts im Dunkeln lassen will. Liegt denn darin nicht eine schädliche Übertreibung des Wertes des Wissens auf diesem Gebiet?“[12]

 

Der FREUNDESKREIS MARIA GORETTI e. V. tritt daher seit Bestehen ein für eine Sexualerziehung[13], die eine wirkliche Hilfe für die Heranwachsenden ist, ihre geschlechtliche Kraft der Würde und Heilsberufung des Menschen entsprechend zu ordnen.

Wie die Kirche lehrt, muss dabei der Schwerpunkt auf der prägenden Kraft der Keuschheit liegen, die ein Wesensmerkmal des „neuen Menschen“ in CHRISTUS ist.

Der Förderung und Bewahrung der Keuschheit dienen[14] die „natürlichen Mittel“ (Wahrung des Schamgefühls, Maß im Genuss, gesunde Ablenkungen, Meiden der Gelegenheiten zur Sünde, Zucht der Sinne) und die Gnadenmittel (Gebet, Sakramentenempfang, Verehrung Mariens und der Heiligen) zusammen mit der bereits genannten Stärkung der Willens­kraft.

 

Sind biologische Informationen nötig?

Biologische Informationen haben, wenn es um das Triebleben des Menschen geht, nicht die gleiche Qualität wie biologische Informationen über ein Pflanzenblatt oder über das menschliche Herz. Besonders sexuelle Wissensvermittlung berührt tief das Persönlichste jedes Menschen und wirkt auf den erbsündlich belasteten Menschen aufreizend.

Je weniger allgemein und umschreibend, je mehr in die Einzelheiten gehend und ausmalend diese sexuellen biologischen Informationen sind, umso größer wird die Gefahr der Verlockung und Stimulierung.

Eine gleichzeitig gegebene Wertvermittlung (entsprechend der christlichen Ethik) kann diese innewohnende Verlockung nur zum geringen Teil ausgleichen. Wertvermittlung spricht die Vernunft des Menschen an, die Sexualinformation jedoch unmittelbar die Triebkräfte.

Daher ist die „Wissensvermittlung“ auf das „Notwendige“ in möglichst abstrakter, wenig stimulierender Form zu beschrän­ken. Dieses „Nötige“ wird für den Arzt einen wesentlich größeren Bereich umfassen (es kommt auch eine Standesgnade hinzu!) als für einen jungen Menschen, der vor der Eheschließung steht, und wiederum enger wird der Bereich des „Nötigen“ sein für Jugendliche.

 

Die Päpste über biologische Informationen

Papst Pius XI. rät in „Divini illius magistri“ zu großer Vorsicht und Behutsamkeit (Berücksichtigung aller Umstände, individuelle Belehrung, passende Gelegenheit, Hinweis auf Standesgnade der Erzieher). Er hebt hervor, dass man nicht auf Einzelheiten eingehen soll, ja sagt sogar, während des Kindesalter genüge es, die natürlichen und übernatürlichen Heilmittel der Keuschheitserziehung anzuwenden.[15]

Als Motiv dieser Vorsicht nennt der Papst die Gefahr, dass – anstatt die sexuelle Begierde zu ordnen – diese erst geweckt und vermehrt werde[16].

Papst Johannes Paul II. unterstrich diese Warnung und forderte als Voraussetzung für biologisches Wissen eine geistig-personale Reife (die im Schulkind sicher noch nicht vorliegt):

„Die rein biologische Kenntnis der mit dem Mann- und Frausein der menschlichen Person in Zusammenhang stehenden organischen Funktionen des Leibes vermag nur dann... hilfreich zu sein, wenn sie mit einer entsprechenden geistigen Reife der menschlichen Person einhergeht. Ohne das kann dieses Wissen geradezu gegenteilige Auswirkungen haben, und das bestätigen vielfache Erfahrungen unserer Zeit.“[17]

 

Zur Sexualaufklärung in der Schule

Schon das bisher Gesagte verbietet eine sexuelle Aufklärung in der Schule und Gruppe. Dies betont Papst Pius XI. auch ganz ausdrücklich, indem er diese „Sexualerziehung“ „unterschiedslos für alle“ und „sogar in der Öffentlichkeit“ einen schlimmen, gefährlichen Irrtum nennt[18].

Damit wird die „Sexualerziehung“ in der Schule abgelehnt,

weil die unterschiedliche Reife der Kinder und ihre individuelle Erziehung nicht berücksichtigt werden können,

weil Schamgefühl und Intimsphäre des Kindes und des Lehrers in der Öffentlichkeit einer Klasse (dazu meist Buben und Mädchen zusammen) geschädigt oder zerstört werden.

 

Bedeutung des Schamgefühls

Es gibt eine Tendenz, die die Scham verächtlich macht, indem sie behauptet, durch die Scham würden die geschlechtlichen Dinge böse, schlecht und hässlich erklärt[19]. Dagegen ist festzuhalten: Die Schamhaftigkeit muss unterschieden werden vom Gefühl des Sich-Schämens wegen hässlicher Dinge oder begangener Fehler. Sie ist eine „heilige Scheu“.

„Jede Enthüllung der Sexualität ist die Offenbarung von etwas Intimem und Persönlichem, ja die Einweihung eines anderen in unser eigenstes Geheimnis.“[20]

Das Schamgefühl ist also etwas Positives, es „hat die Wächteraufgabe über die Keuschheit“ [21].

 

Für SE im authentisch christlichen Verständnis gilt also:

Das Hauptgewicht liegt auf einer ganzheitlichen „Erziehung zur Keuschheit“, die vom Kleinkind an die Erziehung zur GOTTESliebe, zum Gebet, zur Achtung vor dem Gebot GOTTES, zum Sakramentenempfang, zur Pflege des natürlichen Schamgefühls, zur Willensformung, zur Opferbereitschaft und Selbstbeherrschung sein muss.

 

Dies geschieht in der vorgelebten Haltung der Eltern und Erzieher („Hauskirche“, bewusste Verankerung des Lebens im Glauben, Schamhaftigkeit in der Familie, in der Kleidung, in der Vorsicht bezüglich Fernsehen, Illustrierte, Zeitschriften, Video, Internet usw.). Dies geschieht in der Anleitung zum Verzicht z. B. auf Süßigkeiten, auf Vergnügungen etc.

Dies geschieht – und zwar Tag für Tag, in vielen kleinen Einzelschritten, gar nicht immer bewusst und betont – in der religiösen Formung des Kindes, in der Hinführung zum Gebet auch in Schwierigkeiten und Versuchungen, zum Bußsakrament, zur Marien- und Heiligenverehrung. Dabei wirken die vorgelebte und im Kind geweckte Gesamthaltung und begründende, erklärende, anspornende Worte zusammen.

Das Kind muss aus dem Verhalten der Eltern auch die Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Entstehung neuen Lebens spüren und in einer Haltung des Vertrauens zu den Eltern aufwachsen. (Übrigens wäre es falsch zu meinen, durch sexuelle Aufklärung könne man sich das Vertrauen des Kindes sichern.)

 

Mut, gegen den Strom zu schwimmen

Die Eltern sollen sich von der heute propagierten Aufklärungsmanie nicht beeinträchtigen lassen in der Überzeugung, dass der Nachdruck der Sexualerziehung auf Selbstbeherrschung und religiöse Praxis zu legen ist[22],

weil die Natur selber im Kind die nötige Einsicht in die Zusammenhänge im Wesentlichen nach und nach reifen lässt. Die Erziehung zur Reinheit muss aber dieses innere Reifen begleiten und veredeln.

 

Das Beispiel der Hl. Schrift, die die Kinder ja schon im GOTTESdienst aufnehmen, zeigt die rechte Art des Sprechens an, wenn sie von geschlechtlichen Vorgängen im Zusammenhang der Heilsgeschichte in schamhafter und doch natürlicher Selbstverständlichkeit spricht.[23]

Nicht festgesetzte „Stunden der Aufklärung“ sind hilfreich, sondern aus Alltäglichkeiten kann durch Verhalten und knappes weisendes Wort die sittliche Reife und die Einsicht des Kindes in die Zusammenhänge organisch wachsen.[24]

Was hier an Lehraussagen in der Theorie zusammengetragen wurde, sollen Beispiele aus der erfolgreichen Erziehertätigkeit des hl. Don Bosco im Anhang verdeutlichen: eine christliche Sexualerziehung, die ganz wesentlich auf Erziehung zur Reinheit und Willensstärkung ausgerichtet ist.

 

Sind die früheren Aussagen des Lehramts noch gültig?

Viele der zitierten Aussagen von Papst Pius XI. stammen aus dem Jahr 1929[25]; der hl. Don Bosco hat im vorletzten Jahrhundert gelebt. Besteht nicht der Einwand zu Recht, dass durch „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ der Anthropologie und der Theologie diese Aussagen zeitgebunden, überholt, veraltet sind? Wird nicht allerorten behauptet, die moralischen Normen hätten keine absolute Gültigkeit, sondern seien von der jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Situation abhängig?[26]

(Übrigens werden unsere jungen Menschen heute vielfach, selbst mitunter in einem verkehrten Religionsunterricht, indoktriniert, dass sich jeder seine moralischen Normen selber suchen und entwickeln müsse.[27])

 

Die Vatikanische „Kongregation für die Glaubenslehre“ veröffentlichte im Januar 1976 die Erklärung „Persona humana“ „zu einigen Fragen der Sexualethik“, die von Papst Paul VI. gebilligt wurde und deren Veröffentlichung er angeordnet hat. Sie setzt sich auch mit dem Einwand der Zeitbedingtheit der Normen auseinander:

 

„Gewiss haben sich in der Geschichte der Zivilisation viele konkrete Umstände und Bedürfnisse des menschlichen Lebens geändert und werden sich noch weiter ändern; doch jeder Wandel in den Sitten und jede Lebensweise muss sich innerhalb der Grenzen halten, die durch die unveränderlichen Prinzipien gesetzt sind, welche in den konstitutiven Elementen und den wesentlichen Beziehungen der menschlichen Person gründen; diese Elemente und Beziehungen übersteigen die veränderlichen geschichtlichen Umstände. Diese Grundprinzipien, die die Vernunft erkennen kann, sind enthalten im ‚ewigen, objektiven und universalen GÖTTlichen Gesetz...’. Dieses GÖTTliche Gesetz ist für unsere Erkenntnis zugänglich.“ [28]

 

„Die GÖTTliche Offenbarung und, in dem ihr eigenen Bereich, auch die philosophische Erkenntnis... weisen notwendig auf die Existenz unveränderlicher Gesetze hin, die in die konstitutiven Elemente der menschlichen Natur eingeschrieben sind und die allen vernunftbegabten Wesen gleichermaßen gegeben sind...

 

Die Kirche bewahrt unter dem Beistand des HL. GEISTES ununterbrochen und übermittelt ohne Irrtum die Wahrheiten der sittlichen Ordnung und interpretiert authentisch nicht nur das geoffenbarte positive Gesetz, sondern auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen hervorgehen und die volle Entfaltung und die Heiligung des Menschen betreffen...“[29]

 

„Es gibt [auch im Bereich der Sexualethik] Prinzipien und Normen, die die Kirche ohne Zögern stets als einen Bestandteil ihrer Lehre übermittelt hat, wie sehr auch die Meinungen und Sitten in der Welt zu ihnen im Gegensatz gestanden haben mögen. Diese Prinzipien und Normen haben ihren Ursprung keineswegs in einer bestimmten Kulturform, sondern in der Erkenntnis des Gesetzes GOTTES und der menschlichen Natur. Deshalb können sie auch nicht unter dem Vorwand einer neuen kulturellen Situation als überholt angesehen oder in Zweifel gezogen werden.“[30]

 

„Persona humana“ befasst sich dann vor allem mit schwerwiegenden, schon vor über drei Jahrzehnten propagierten Irrtümern hinsichtlich vorehelichem Verkehr, Homosexualität und Masturbation (Selbstbefriedigung) und betont ausdrücklich, dass es sich hierbei objektiv um schwere Sünde handelt[31].

Weiter heißt es:

„Die Tugend der Keuschheit beschränkt sich aber nicht nur auf die Vermeidung der erwähnten Verfehlungen. Sie verlangt vielmehr, auch aufzublicken zu den hohen Zielen, die es zu erreichen gilt. Sie ist eine Tugend, die die ganze Persönlichkeit in ihrem inneren und äußeren Verhalten prägt.“[32]

 

Die Erziehungsmethode der Kirche und der Heiligen hinsichtlich der Pflege der Keuschheit wird dann zusammengefasst[33]:

 

„Die Gläubigen müssen auch in unserer Zeit, ja heute noch mehr als früher, zu den Mitteln greifen, welche die Kirche schon immer empfohlen hat, um ein keusches Leben zu führen:

Zucht der Sinne und des Geistes,

Wachsamkeit und Klugheit, um die Gelegenheiten zur Sünde zu meiden,

Wahrung des Schamgefühls,

Maß im Genuss,

gesunde Ablenkungen,

eifriges Gebet

und häufiger Empfang der Sakramente der Buße und der Eucharistie.

Besonders die Jugend soll die Verehrung der unbefleckt empfangenen GOTTESmutter eifrig pflegen

und sich ein Beispiel nehmen am Leben der Heiligen und anderer, besonders junger Glaubensbrüder, die sich durch keusche Reinheit ausgezeichnet haben.

Vor allem sollen alle die Tugend der Keuschheit und ihren strahlenden Glanz hochschätzen. Sie erhöht die Würde des Menschen und macht ihn fähig zu wahrer, hochherziger, selbstloser Liebe, die den anderen achtet.“

 


 



[1] BDKJ-Funktionärin Barbara Engl

[2] Roman Bleistein SJ, „Junge Zeit“ 11/81

[3] G. Riederer, „Neue Gespräche“, hrsg. von der AG für kath. Familienbildung, Bonn, Sept./Okt. 1981, S. 11

[4] M. Frauenrath, „Junge Zeit“ 11/81

[5] G. Riederer, a.a.O. S. 8f zitierte Ausführungen der Synode der bundesdeutschen Bistümer, Würzburg, über „Vorraum der vollen sexuellen Gemeinschaft“ und über „Stufenleiter der Zärtlichkeiten“; M. Frauenrath schrieb in der kath. Jugendzeitschrift  „Junge Zeit“ S. 9: 11/81, S.9: „Von dieser Verbotsmoral (cf. dass der Bereich der Sexualität ausschließlich der Ehe vorbehalten sei) ist im Synoden-Arbeitspapier der Deutschen Bischöfe (1973) nichts zu spüren.“ Bischof Moser, Rottenburg, nannte in einem Interview der „Jungen Zeit“ 11/1981 S. 11 an kirchlichen Stellungnahmen lediglich den „Hirtenbrief der deutschen Bischöfe zu Fragen der menschlichen Geschlechtlichkeit“ (von 1973) und die „Erklärung zur Sexualerziehung in Elternhaus und Schule“ von 1979.

[6] Vgl. „Erklärung der deutschen Bischöfe zur Sexualerziehung in Elternhaus und Schule“ von 1979.

[7] a.a.O.

[8] vgl. Erklärung der Vatikanischen Glaubenskongregation zu einigen Fragen der Sexualethik „Persona humana“ von 1975, Nr. 13.

[9] Oder neuerdings: „Nur was ich schätze, kann ich schützen“ als Schlagwort der MFM-Projekte, vgl. auf Seite 7.

[10] Vgl. die Erziehungsenzyklika „Divini illius magistri“ von Papst Pius XI., Nr. 58

[11] „Divini illius magistri“, Nr. 65

    In Erinnerung gerufen sei wieder die vollständige Aussage Pius’ XI.: „Eine weitere sehr ernste Gefahr ist der Naturalismus, der heute in den Bereich der Erziehung eindringt, und zwar in die überaus sensiblen Fragen der moralischen Reinheit. Sehr weit verbreitet ist der Irrtum derer, die mit gefährlicher Dreistigkeit und abstoßender Terminologie eine sogenannte Sexualerziehung propagieren. Dabei haben sie die falsche Vorstellung, sie könnten junge Menschen gegen die Gefährdungen der Sinnlichkeit durch rein natürliche Mittel schützen - wie durch eine verwegene vorbeugende sexuelle Aufklärung: unterschiedslos für alle, sogar in der Öffentlichkeit. Ja, schlimmer noch: indem sie die jungen Menschen im frühen Alter den Gelegenheiten aussetzen, um sie – wie sie sagen – durch Gewöhnung gegen solche Gefahren abzuhärten.

    Diese Personen erliegen einem schlimmen Irrtum, weil sie sich weigern, die angeborene Schwäche der menschlichen Natur anzuerkennen... Sie ignorieren die Erfahrungstatsachen, die beweisen, dass besonders bei den jungen Men­schen die bösen Handlungen nicht so sehr aus der intellektuellen Unwissenheit entstehen als aus der Schwäche eines Willens, der gefährlichen Gelegenheiten ausgesetzt und nicht von den Hilfsmitteln der Gnade unterstützt wird.

    Wenn auf diesem überaus sensiblen Gebiet – nachdem alle Umstände in Be­tracht gezogen sind – eine individuelle Unterweisung als notwendig und angebracht erscheint, und zwar von Seiten derer, denen GOTT mit der Erziehungsaufgabe auch die besondere Standesgnade gegeben hat, dann muss das mit aller Vorsicht geschehen. Solche Zurückhaltung ist in der traditionellen christlichen Erziehung sehr wohl bekannt und wurde von Kardinal Silvio Antoniano (in seinem Werk „Über die christliche Kindererziehung“) angemessen beschrieben. Er sagte: ‚Unsere Armseligkeit und unsere Neigung zur Sünde ist derart, dass wir oft gerade in den Dingen, die uns Heilmittel gegen die Sünde sein sollten, Gelegenheit und Anreiz zur Sünde finden. Deshalb ist es überaus wichtig, dass ein guter Vater, wenn er mit seinem Sohn eine so sensible Sache bespricht, sehr auf der Hut ist und weder auf Einzelheiten eingeht noch all die verschiedenen Weisen erwähnt, in denen der Versucher, die höllische Schlange, einen so großen Teil der Welt vergiftet. Sonst könnte es geschehen, dass er, anstatt dieses Feuer zu löschen, es unbeabsichtigt im einfachen und zarten Herzen des Kindes entzündet oder schürt. Allgemein kann man sagen: Während der Periode der Kindheit genügt es, die Heilmittel anzuwenden, die zweifach wirken, nämlich der Keuschheit den Weg bereiten und der Untugend das Tor verschließen’.“ (DIM 64-67)

[12] Ansprache vom 15.4.1953

[13] Vgl. Bischof Roman Danylak, Vortrag New York 1999: „Es ist wichtig..., zwischen SchulSE und der öffentlichen Unterweisung in Sexualmoral zu unterscheiden. Schulsexual‚erziehung’ ... stellt Kinder in die unmittelbare Gelegenheit zur Sünde und ist vom Lehramt der Kirche verboten. Öffentliche Unterweisung über die Sexualmoral – das heißt der Unterricht über den Glauben und die Gebote als Gesetz des moralischen Lebens - ist andererseits nicht nur erlaubt, sondern schon immer hat das kirchliche Lehramt von den Schulen [bzw. vom kath. Religionsunterricht] erwartet, dass sie dies der Jugend bieten.“ (Siehe FMG-Sonderdruck „Es gibt keine Schulsexual‚‚erziehung’ ohne Verletzung des Schamgefühls der Kinder“ oder www. freundeskreis-maria-goretti.de/fmg/menu3/text237. html)

7 Vgl. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zu einigen Fragen der Sexualethik „Persona humana“ vom 29.12.1975, Nr. 12

[15] Vgl. Bischof Roman Danylak a. a. O.: „Öffentlicher Unterricht in Sexualmoral geht nicht ins Detail, liefert keine deutlichen Informationen und geht auf sexuelle Dinge nicht näher ein, sondern gibt angemessene Unterweisung, wobei abstrakte Normen und Definitionen benutzt werden.“

[16] Vgl. „Divini illius magistri“ Nr. 66, 67. Der große Pädagoge F. W. Foerster sagte: „Es gibt eine Sexualpädagogik, die die Naturtriebe durch Aufklärung beschwören zu können wähnt und nicht sieht, dass die sinnliche Neugierde sich aus der Aufklärung dreimal mehr Zündstoff holt, als die moralische Rede [=Mahnung zur Keuschheit]) löschen kann.“

[17] 8. April 1981

[18] Vgl. „Divini illius magisteri“ Nr. 64

[19] Vgl. M. Fromme, „Neue Wege der geschlechtlichen Erziehung“, Vortrag für Leiter kath. öffentl. Büchereien des Erzbistums Köln, in „Unsere Sammlung“ 4/1969: „Man denke z. B. nur an die Schamerziehung. Die Kinder... wurden förmlich darauf dressiert, die Geschlechtszonen ihres Körpers als etwas Böses zu betrachten, das man weder anschaut, noch zeigt, noch berührt, und worüber man auch nicht spricht.“

[20] Dietrich von Hildebrand, „Sexualerziehung in der Schule?“, FMG-INFORMATION 76, S.3ff oder www. freundeskreis-maria-goretti.de/fmg/menu3/text235.html

[21] „Persona humana“ Nr. 9

[22] Vgl. Pius XII. am 15.4.1953

[23] z. B. „Sara war unfruchtbar, es wurde ihr kein Kind zuteil.“ (Gen 11,30) – „Selig der Leib, der dich getragen, und die Brust, die dich genährt hat.“ (Lk 11,27)

[24] z.B. Erfahren von der Geburt eines Kinder bei Verwandten/Bekannten; Betroffen­heit über den Fehltritt eines Menschen, verbunden mit dem rechten Hinweis auf Reue und Vergebung; Gebetsformulierung „Gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes”, Festgeheimnis Mariae Heimsuchung usw.

[25] Festzuhalten ist: „Divini illius magistri“ ist als Enzyklika eine sehr hochrangige Lehre des obersten kirchlichen Lehramtes, deren Aussagen nie widerrufen worden und folglich noch gültig sind. Das 2. Vatikanische Konzil verpflichtet den Gläubigen in der Dogmatischen Konstitution „Lumen gentium“ zu besonderem religiösem Gehorsam gegenüber dem Lehramt des Papstes: „Dieser religiöse Gehorsam des Willens und Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten; nämlich so, dass sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit gezollt wird, entsprechend der von ihm kundgetanen Auffassung und Absicht. Diese lässt sich vornehmlich erkennen aus der Art der Dokumente, der Häufigkeit der Vorlage ein und derselben Lehre, und der Sprechweise...“ (LG 25).

     Darum sagt auch Bischof Roman Danylak zur Frage der Verbindlichkeit von „Divini illius magistri“: „Der springende Punkt ist, dass die Erklärung von Papst Pius XI. die maßgebendste und erschöpfendste Aussage ist, die jemals zu diesem Thema gemacht wurde; sie ist aufrecht erhalten und niemals zurückgenommen worden. Im Gegenteil haben seine Nachfolger, von Papst Pius XII. bis zu Johannes Paul II., seine Lehre wiederholt..., auch besonders in Ansprachen an einzelne Bischofskonferenzen bei ihren Ad-limina-Besuchen in Rom. All dies ist zusammengefasst in der kürzlich herausgegebenen, klaren Lehre des Päpstlichen Rates für die Familie ‚Menschliche Sexualität: Wahrheit und Be­deutung“ vom 20. Dezember 1995. Dieses Dokument wurde etwa 66 Jahre nach der Enzyklika von Papst Pius XI. über die christliche Jugenderziehung verfasst.

[26] Vgl. M. Fromme a.a.O., S.3: „Nun ist es für viele Christen eine Schwierigkeit, die Moral als wandelbar zu erkennen... Tatsächlich lehrt die Geschichte, dass es nie eine so verstandene unwandelbare Moral und Sittlichkeit gegeben hat. Sie war immer vom kulturellen Milieu abhängig, und zwar von der jeweiligen Auffassung vom Menschen.“

[27] Damit verknüpft ist auch die falsche Auffassung, das Gewissen schaffe Normen. Das Gewissen ist jedoch ein „Organ“, das das persönliche Wollen und Verhalten an der objektiven Norm ausrichtet, als die dem Menschen erkennbare Unter­scheidung von Gut und Böse auf die konkrete, persönliche Situation anwendet. Um die rechte Wahrheit von Gut und Böse erkennen zu können, muss das Gewissen allerdings geformt sein und nach der Naturordnung und dem Willen GOTTES fragen, da es durch bewusstes Handeln gegen den leisen Gewissens­spruch verformbar ist und irren kann. (Vgl. dazu Johannes Paul II:, Enzyklika „Veritatis splendor“ von 1993, bes. Nr. 54-64.).

[28] „Persona humana“ Nr. 3

[29] „Persona humana“ Nr. 4

[30] „Persona humana“ Nr. 5

[31] Vgl. dazu auch den „Katechismus der Katholischen Kirche“ (Ausgabe 2003), Nr. 2352, 2357, 2390, 2391.

[32] „Persona humana“ Nr. 11

[33] „Persona humana“ Nr. 12

 

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